Socialisme

Drama, Schweiz/Frankreich 2010, 102 min

Mit »Außer Atem« revolutionierte er einst das Kino und in einer Zeit, als viele Menschen die Welt noch verändern wollten, fand er damit ein Millionenpublikum. Heute hat sich der mittlerweile 80-jährige Jean-Luc Godard vom traditionellen Erzählkino ebenso weit entfernt wie vom kommerziellen Erfolgszwang. Dieser Umstand und ein breites Angebot netterer französischer Filme lässt natürlich auch jeden Kinobetreiber darüber nachdenken, ob er seine nie ausreichend gedeckte Haben-Seite mit einem sperrigen Film zusätzlich belastet. Doch den Altmeister in einer Filmkunststadt wie Dresden zu übergehen, ziemt sich nicht. Mit Sozialismus, in welcher Interpretation auch immer, hat der Film reichlich wenig zu tun. Weshalb ihn aber der deutsche Verleih nur „socialisme“ nannte, obwohl Godard ausdrücklichen Wert auf den Titel „Film socialisme“ legte, wird dessen Geheimnis bleiben. Wir bleiben in unseren Ankündigungen bei Godard, nur die Plakate verkünden anderes.
In seiner Rezension in epd-Film beschreibt Karlheinz Oplustil sehr treffend: „…seine (Godards) Filme haben mit Musik, Philosophie und bildender Kunst mehr zu tun als mit Unterhaltungskino. Es wird also Zuschauer geben, die seinen neuen Film…, für einen unverständlichen Bildersalat halten. Andere sehen in ihm einen Filmessay voller Schönheiten. In jedem Fall ist es ein Rätselfilm, denn Verständlichkeit ist für Godard keine Kategorie. Und wahrscheinlich wird man, während man den Film sieht, sich dabei ertappen, gleichzeitig oder in schnellem Wechsel zu beiden Meinungen zu kommen.“ Godard philosophiert über Europa, das Verhältnis der Deutschen zu den Franzosen, das der Juden zu den Palästinensern, über Interpretation der Geschichte anhand der potemkinschen Treppe in Odessa und über die Finanzkrise. Und nicht nur dort ist er prophetisch, sondern auch in der Wahl seiner Schauplätze, denn die erste halbe Stunde des Films spielt auf dem Luxusliner „Costa Concordia“. Dies alles geschieht in Verbindung mit vielen klugen und witzigen Sprüchen und so schnell, dass man schwankt, ob man aussteigen oder sich den Film noch einmal ansehen sollte. Egal, wie Sie sich entscheiden, Godards letzten Satz können Sie immer erklärend verwenden: „Kein Kommentar.“ Moryc Welt