Die Jungs vom Bahnhof Zoo

Dokumentation, Deutschland 2011, 86 min

Im Mittelpunkt des Films stehen die Lebensgeschichten von fünf Strichern, drei von ihnen sind Roma. Ionel begleiten wir mit der Kamera in sein Heimatdorf nach Rumänien, um zu zeigen, aus welchen Armutsverhältnissen Jungs wie er kommen. Nazif ist ein ehemaliger Bürgerkriegsflüchtling aus Bosnien, der als Kind nach Deutschland kam und schon als junger Stricher am Bahnhof Zoo harte Drogen konsumierte. Der junge Rumäne Romica hat eine Familie gegründet, deren Existenzgrundlage lange die Prostitution war.
Unter den Strichern gibt es auch minderjährige Jungs, die früh von Pädosexuellen missbraucht wurden und später in die Stricherszene geraten sind. Daniel-Rene ist einer von ihnen. Als junger Erwachsener leidet er noch heute massiv an den Folgen seiner traumatischen Erfahrungen. Unsere Hauptfigur ist Daniel, der mit sechzehn seine „Stricherkarriere“ am Bahnhof Zoo in Berlin begann. An seinem Beispiel wird sehr deutlich, welche sozialen Umstände einen Einstieg in die Stricherszene begünstigen.
Auch Straßensozialarbeiter, Wirte von Stricherkneipen und Freier wie der österreichische Schauspieler und Regisseur Peter Kern kommen in dem Dokumentarfilm zu Wort.
Interview mit Rosa von Praunheim (Auszug)
Rosa von Praunheim, wie kamen Sie auf das Thema männliche Prostitution?
Vor zweieinhalb Jahren verliebte ich mich in einen jungen Mann, Oliver, der 6 Jahre als Streetworker bei der Berliner Stricherhilfe SUB/WAY berlin e.V. (2010 umbenannt in Hilfe-für-Jungs e.V.) arbeitete. Das vereinfachte die Recherchen. Ich lernte Lutz Volkwein, den Leiter von SUB/WAY berlin, kennen und seinen Kollegen Wolfgang Werner, der zusammen mit der Sozialarbeiterin Karin Fink das beeindruckende Fachbuch „Stricher“ geschrieben hat. Ungewöhnlich war auch, dass ich auf sehr viel Offenheit bei den Wirten der Berliner Stricherkneipen „Tabasco“ und „Blue Boy“ stieß.
Wie ist es Ihnen gelungen, mit den Strichern Kontakt aufzunehmen?
Zuerst war ich sehr ängstlich, denn meine Meinung war von gängigen Klischees geprägt, wie
zum Beispiel, dass Stricher per se kriminell seien. Dann lernte ich bei meinen Filmrecherchen in der Szene Daniel kennen, einen meiner Protagonisten im Film. Er kommt zwar aus einem sehr schwierigen Elternhaus, aber er klaute nicht, war liebenswürdig, verlässlich und sehr offen. Ich interviewte ihn immer wieder über einen langen Zeitraum hinweg, ohne zu wissen, ob der Film jemals Geldgeber finden würde.
Was war schwieriger, Stricher oder Freier für den Film zu finden?
Freier zu finden ist besonders schwierig, sie halten sich sehr zurück und sind schamhaft. Selbst
in der Schwulenszene werden Freier zum Teil verachtet, weil sie für Sex bezahlen. Ich hatte das große Glück, dass der Schauspieler und Regisseur Peter Kern mir ein schamlos offenes Interview gab. Ich bewundere ihn dafür. Er erzählt von seiner Einsamkeit, seiner Sehnsucht nach Zärtlichkeit und meint, dass die Stricher kein Problem mit seiner „monströsen“ Figur haben. Freier können dick oder behindert sein. Wichtiger ist für die Jungs, dass sie von den Freiern menschlich behandelt und korrekt bezahlt werden.
Was haben Sie aus der Arbeit mit Ihrem Film gelernt?
Ein Statement von Sergiu hat mir gut gefallen. Er sagte, dass er sehr viel Respekt vor Strichern hat, besonders vor den osteuropäischen. „Sie kommen aus unvorstellbarer Armut, müssen oft viele Grenzen überwinden, um zu uns zu kommen. Sie leben auch hier zusammengepfercht in kleinen Wohnungen und machen eine Arbeit, die in ihren Heimatländern verachtet wird. Das sollten wir uns klar machen, bevor wir diese Menschen verurteilen“.

Buch: Rosa von Praunheim

Regie: Rosa von Praunheim

Darsteller: Sergiu Grimalschi, Lutz Volkwein, Wolfgang Werner, Peter Kern, Master Patrick

Produktion: Rosa von Praunheim Filmproduktion

Bundesstart: 24.02.2011

Start in Dresden: 24.02.2011

FSK: ab 12 Jahren