1:1 (Eins zu eins)

Drama, Dänemark/Großbritannien 2005, 90 min

Egal welchen Maßstab man anlegt, Ideal und Wirklichkeit passen nie übereinander, ein Rest bleibt immer. Dieser Rest kann sehr wehtun. Für manche Menschen füllt er das komplette Leben aus, und wieder andere runden ihn einfach jeden Abend auf oder ab. Die junge Mie ist verliebt. Das kommt dem Idealfall sehr, sehr nahe. Sie ist Dänin und ihr Freund Shadi ist Palästinenser. Doch Mie mag nicht auf- oder abrunden.
Mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Per wohnt sie in einem Kopenhagener Vorort. Die Wohnung ist schön und die Aussicht im achten Stock herrlich, aber sobald man das Haus verlassen hat, steht man in der Reißbrettwelt eines längst verblichenen Architektentraumes. Die Stadtränder fransen langsam aus, in Kopenhagen genauso wie in Paris oder in Marzahn. Und während sich langsam der Abend einstellt, laufen alle in verschiedene Richtungen auseinander. Mie und Shadi gehen tanzen, Per zieht es zu seiner Clique und Mama Søs bummelt mit einer Nachbarin durch die Innenstadtkneipen. Doch in derselben Nacht begegnen sie sich wieder. Per liegt auf der Intensivstation im Koma, Mutter und Schwester stehen hilflos dabei. Auf dem Heimweg wurde Per brutal zusammengeschlagen und verdankt sein Leben wohl einzig der Spürnase eines ebenfalls heimkehrenden Wachhundes. Als Mutter und Tochter entkräftet nach Hause fahren, weil Per sie im Krankenhaus für’s erste nicht brauchen wird, ist der Film gerade mal zwanzig Minuten alt. Und hat mit seiner beiläufigen, unaufgeregten Art einen Sog entwickelt, der einen nicht mehr loslassen soll. Bis zum Ende, welches man, soviel sei hier verraten, der Regisseurin Anette K. Olsen, mit Sicherheit ein wenig übelnehmen will. Kleines Missgeschick, denkt man, und betrachtet nochmal den Filmtitel. Woraufhin man es dann aber bleiben lassen wird, denn ihre Parabel von Gewalt, Loyalität und Misstrauen und die dänische Realität passen vermutlich zu gut übereinander. Shadi beobachtet noch am selben Abend seinen älteren Bruder und dessen Kumpan, wie sie sich in der elterlichen Küche Blut von den Händen waschen. Shadi weiß, dass die beiden gerade ein wenig auf- oder abrunden. Denn sein Bruder Tareq ist im Boxclub der für die Titelkämpfe auserwählte, weil ideale Boxer. Einer, der sich eben nicht rumtreibt und keinen Scheiß baut. Und während Søs, Pers Großmutter Bonnie, sowie Mie, jede auf ihre Art, nach Beschuldigungen, Erklärungen oder einem Ausweg suchen, wird Shadi ganz und gar von seinen Gefühlen beherrscht. Obenan steht das Misstrauen Tareq gegenüber. Solange er nicht weiß, was wirklich passiert ist, ringt er fast aussichtslos mit seiner Loyalität, seiner Wut und mit seiner Liebe. Und schweigt, bis es fast zu spät ist.
W. Larsen