Pingpong

Drama, Deutschland 2006, 89 min

Dass mittlerweile im Wettbewerb des Festivals in Cannes kaum noch deutsche Filme laufen, daran hat sich die deutsche Öffentlichkeit gewöhnt. Dass dennoch ein deutscher Film durch mehrfache Auszeichnungen für Aufsehen sorgt, aber noch nicht. Genau das passierte 2006 mit »Pingpong«, der in der Reihe Semaine de la Critique durch mehrere Preise für Aufsehen sorgte. Unter anderem erhielt der Film den „Drehbuchpreis“ der SACD sowie den „OFAJ Young Critic Award“ der Schüler- und Studentenjury. Und Hauptdarsteller Riesenschnauzer Arko wurde von namhaften britischen Filmkritikern mit der „Palm Dog“ ausgezeichnet. Weitere Auszeichnungen beim Filmfest München, auf dem „Film Festival du Film“ in Brüssel und dem Giffoni Filmfestival sowie die Nominierung für den Deutschen Nachwuchspreis beim „First Steps Award 2006“ beweisen, dass es sich dabei nicht um eine frankophile Besonderheit handelte.
Regisseur Matthias Luthardt ist mit seinem Film über die unglückliche Beziehung zwischen einem 16-jährigen und seiner Tante in einem für beide schwierigen Lebensabschnitt ein authentisches und universelles Drama gelungen.
Ohne Vorankündigung besucht der 16-jährige Paul seine Verwandten. Er hat erst vor kurzem seinen Vater verloren. Auf der Suche nach einer heilen Welt geht er an den Ort, der ihn an unbeschwerte Kindheitstage erinnert - zu Onkel Stefan und seiner Tante Anna. Die wohnen im Grünen bei Leipzig und fühlen sich Paul verpflichtet und nehmen ihn bei sich auf. In Anna lernt Paul eine Frau kennen, die seine Anwesenheit zwar anfänglich widerwillig hinnimmt, ihn dann aber zu akzeptieren beginnt. Denn seine Anwesenheit erscheint Anna für ihren gleichaltrigen Sohn Robert, der sich gerade auf die Aufnahmeprüfung für die Jungstudentenklasse an der Musikhochschule Leipzig vorbereitet, nützlich. Als Paul immer stärker ihre Nähe sucht, bemerkt er zu spät, dass sie ihn eigentlich nur als Spielball benutzt. Als sie dabei die Kontrolle verliert, reagiert Paul mit einer Verzweiflungstat…
In seinem Debüt beobachtet Regisseur Matthias Luthardt sehr genau, kühl und distanziert die scheinbar heile Welt einer gutbürgerlichen Mittelschichtfamilie. Das auf den ersten Blick intakte Familiengefüge gerät bei näherem Hinsehen ins Wanken: Vordergründige Harmonie weicht einer tief sitzenden Unfähigkeit zur Kommunikation, jugendliche Suche nach Halt und Nähe steht erwachsener Überforderung und Kalkulation gegenüber.
Das atmosphärisch dichte, kammerspielartige Drama nimmt durch seine unterschwellige Spannung von Beginn an gefangen. Auch durch seine beeindruckenden Darsteller Marion Mitterhammer, Clemens Berg, Falk Rockstroh sowie Sebastian Urzendowsky überzeugt das Drama.
PS: Mitte Oktober wurde der Film als einer von vier Filmen für die „Europäische Entdeckung 2006“ nominiert. Der Preis geht nach Informationen der EFA „an einen jungen aufstrebenden Regisseur für einen ersten europäischen Film in Spielfilmlänge“. Der Sieger wird von den 1700 EFA-Mitgliedern bestimmt und am 2. Dezember im Rahmen der Vergabe des Europäischen Filmpreises in Warschau ausgezeichnet.
ak