Wir waren niemals hier

Dokumentation, Deutschland 2004, 102 min

Das Einzigartige bleibt in Erinnerung. Das ist das Schöne daran. Doch das Einzigartige ist auch schwer zu entdecken, obwohl es eigentlich aus der Masse des Gewöhnlichen herausragen sollte wie ein Leuchtturm. Tut es aber nicht, genau wie die Mutter aller Mütter, die Band MUTTER. Gemeinhin gilt sie als Liebling der deutschen Musikkritiker, aber keine Sau kennt sie. Unter marktorientierten Bedingungen betrachtet. Doch ein Fluch ist auch immer ein Segen. Denn es ist kaum auszudenken, was aus Max, Frank, Kerl, Tom und Florian alles hätte werden können, wenn sie nur einer „entdeckt“ hätte. So ist alles gut. Und der Regisseurin Antonia Ganz ist es vergönnt, ihre Kamera auf achtzehn kreative, explosive und diskursive Jahre einer nicht mehr ganz jungen Mutter zu halten. Auf einen Splatterfilmpsychopathen, einen dekorierten Filmproduzenten, einen singenden Punkfilmer oder einen ehemaligen Nuttenchauffeur.
Kommt alle zu Muttern! Dann machen wir's uns gemütlich und schwärmen was über die guten alten Zeiten. Als die Plattenlabels noch erschraken. Über Debütplatten mit Namen wie »1914« oder »Ich schäme mich Gedanken zu haben, die andere Menschen in ihrer Würde verletzen«. Als Kerl und Florian in einem Berliner Hinterhof „mit Muttern geboxt“ und Jörg Buttgereit als Ringrichter engagiert hatten. Und man „Die Tödliche Doris“ in der Zeitung als „Die Tödliche Dosis“ ankündigte. Oder als sich am 11.9.2001, nur einen Tag nach Erscheinen der Mutter-CD »Europa gegen Amerika«, der Songtext „Ein Krieg ist aus / Ein neuer beginnt“ bewahrheitet. Wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.
Apropos Prophezeiung. Herr Jochen “Blumfeld” Diestelmeyer spricht ihn aus, den geschichtsträchtigen Satz: „…Das hat kein Schwein mitbekommen - das ist aber das Geilste gewesen…“ und er hat Recht. Denn unter heutigen marktorientierten Bedingungen gibt es schon wieder Leute, die „ihre Musik“ hüten wie einen Schatz und vor den Ohren ihrer Mitmenschen zu bewahren suchen. So als ob sie niemals hier gewesen wäre.

Regie: Antonia Ganz

Bundesstart: 20.10.2005

Start in Dresden: 17.11.2005

FSK: ab 12 Jahren