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Ich, Daniel Blake

Drama, Großbritannien/Frankreich 2016, 101 min

Die Frage, wie viel solidarische Verantwortung ein Mensch für einen anderen, einen beliebigen Mitmenschen hat, geht zurück bis zu Kain und Abel. Es war die zentrale Frage des englischen Klassenkampfes der letzten beiden Jahrhunderte. Und immer schon war diese Frage auch der rote Film-Faden für Ken Loach, der seinem letzten Kinofilm in Cannes noch einmal eine Goldene Palme anheften durfte. Daniel Blake (Dave Johns) geht auf die 60 zu, doch er ist der Typ Mann, der uneigennützig aufspringen und jedem Bedürftigen sofort seine Hand reichen würde. Nach dem Tod seiner Frau erlitt er einen Herzinfarkt, und sein Arzt schreibt ihn noch lange nicht gesund. Also muss der gelernte Tischler, um Miete und Unterhalt bezahlen zu können, Arbeitslosenhilfe beantragen. Nichts Schlimmeres hätte dem Mann passieren können. Das Amt stuft ihn, nach Beantwortung einiger eigener Testfragen, als gesund ein und schickt ihn auf Arbeitssuche. Als Voraussetzung für die finanzielle Unterstützung. Daniel Blake dachte, er habe als Voraussetzung vierzig Jahre Steuern gezahlt. Er will Widerspruch einlegen und findet sich als trauriger Held in einer bürokratischen Sozial-Farce wieder. Auf dem Amt lernt er eine junge Mutter von zwei Kindern kennen, die bereits an ihrem ersten Tag in einer fremden Stadt mit Sanktionen bedroht wird. Kattie (Hayley Squires) spart sich für ihren Nachwuchs das Essen vom Munde ab, sie prostituiert sich und weiß nicht, wie es weitergehen soll. So nimmt sie die spontane und empörte Hilfe von Daniel Blake dankend an. Denn Blake ist wütend. Auf die sturen Assessoren des britischen Sozialstaates zuerst, auf deren unwürdige Regularien noch mehr und schließlich auf die fortschreitende Gleichgültigkeit der Menschen im Turbokapitalismus überhaupt. Wut macht erfinderisch, doch sie macht noch nicht satt. Und so unterstützt er Kattie und ihre Kinder, wo er nur kann. Gemeinsam suchen sie nach Auswegen. Früher nannte man so etwas Solidarität. Früher war Solidarität Ken Loachs schärfstes Schwert. Früher war Ken Loach voller Hoffnung.
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