Station to Station

Dokumentation/Experimentalfilm, USA 2015, 67 min

Doug Aitken zählt zu den zeitgenössischen Künstlern, die nicht mehr dem Motto „weniger ist mehr“ folgen sondern eher der Devise „mehr ist mehr“. In einem immer voller werdenden Kunstbetrieb, bei dem es zunehmend schwer fällt, sich von all den anderen Künstlern abzuheben, bespielt Aitken nicht einfach nur dunkle Kammern in Museen, sondern geht mit seinen Videoinstallationen in den öffentlichen Raum. Da wird dann schon mal die Außenwand des MoMA in New York zur Leinwand.
Ein ähnliches überdimensionales, exaltiertes Ereignis war auch eine Zugfahrt, die Aitken im Herbst 2013 inszenierte: Von der Ost- an die Westküste, 4.000 Meilen fuhr der Zug, der an der Außenfassade mit Lichtdioden ausgestattet wurde und so quasi ein rollendes Lichtkunstwerk war, während innen zahllose Künstler für ein paar Tage mitfuhren, miteinander Kunst machten und an zehn Orten bei so genannten Happenings auftraten. Als Nebenprodukt dieses Ereignisses drehte Aitken einen Film, der aus 62 Kurzfilmen besteht, 62 exakt einminütigen Stücken, die in rasender, aber auch fließender Bewegung die Fahrt des Zugs nachzeichnen.
Manchmal sind das impressionistische Momentaufnahmen der vielfältigen Landschaft, durch die der Zug auf seiner Fahrt durch die Metropolen der Ostküste und der riesigen Leere des amerikanischen Kernlandes fährt, dann fast klassisch dokumentarische Stücke, in denen einzelne Künstler kurze Kommentare abgeben oder bei ihren unterschiedlichsten Auftritten zu sehen sind, dann wieder meditative Reflexionen über Beschleunigung, die Moderne, die Weite des amerikanischen Kontinents.
Zu den Mitwirkenden zählen Musiker wie Cat Power, Suicide, Patti Smith oder Giorgio Moroder und Künstler wie Ed Ruscha, William Eggleston oder Christian Jankowski, um nur einige zu nennen. Zwangsläufig verursacht die gewählte Form einen oft atemlosen Rhythmus. Doch statt oberflächlich und disparat wirkt »Station to Station« wie ein fließendes Gesamtkunstwerk, wozu in erster Linie Aitkens visuelles Gespür beiträgt. Egal, ob Stadt oder Land, Bühnenauftritt oder improvisierter Set im Zugabteil: Wie aus einem Guss wirken die Bilder, die sich in Kombination mit dahin geworfenen Reflexionen über das Wesen der Kunst, die Entwicklung der Moderne, die Vielfalt des amerikanischen Kontinents zu einem Gesamtkunstwerk formen.
Michael Meyns

Regie: Doug Aitken

Darsteller: Francis Scott Key White, Miss Alex White

Kamera: Mara Mckevitt, Doug Aitken, Corey Walter

Produktion: Chris Totushek, Alex Waite, Molly Logan, Doug Aitken

Bundesstart: 16.07.2015

Start in Dresden: 08.10.2015

FSK: ab 6 Jahren